Höhere Anzahl an Absolventen bleibt größte Herausforderung
vdi nachrichten 2011. Wer das Studium der IT und Elektrotechnik schafft, ist gut vorbereitet auf die zukünftigen Anforderungen des Arbeitsmarktes. Doch zu viele Studierende strecken schon im ersten Jahr die Waffen. Daran hat auch die Verbesserung der Studienbedingungen wenig geändert. Verschärfte Auswahlverfahren sind für die meisten Hochschulen jedoch keine Lösung.
Will die deutsche Wirtschaft auch weiterhin in eine rosige Zukunft steuern, muss die Erforschung, Entwicklung und der Vertrieb von innovativen, hochqualitativen Spezialtechnologien noch weiter verstärkt werden, so die Forderung des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V. (VDE). „Und dafür benötigt die deutsche Wirtschaft noch viel mehr innovativ ausgebildete, kreative Elektroingenieure und Informatiker“, sagt Prof. Dr. Ing. Michael Berger, Vorstand des Ausschusses Ingenieurbildung beim VDE und Vizepräsident der Fachhochschule Westküste Heide. „Denn Elektrotechnik und Informationstechnik sind die Innovationstreiber für Schlüsseltechnologien wie E-Mobility, Umwelt- und Energietechnik oder Telemedizin.“
Wie begegnen die Hochschulen diesen Herausforderungen? Die Universität Karlsruhe (TH) zum Beispiel hat durch den Zusammenschluss mit dem Forschungszentrum Karlsruhe im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine enge Verzahnung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung erreicht. Das KIT unterstützt zudem Ausgründer durch intensive Beratung und Risikokapital.
An den grundlegenden Inhalten der Ingenieurausbildung wird sich jedoch wohl auch in Zukunft wenig ändern. Dr. Ing. Jens-Rainer Ohm, ehemaliger Studiendekan für Elektrotechnik an der RWTH Aachen: „Auch für die Entwicklung von Zukunftstechnologien sind Kompetenzen in der Mathematik, Physik, Informatik und Elektronik entscheidend.“
Eine breite ingenieurwissenschaftliche Basis, verknüpft mit spezialisierten und aktuellen Studieninhalten wie zum Beispiel Informationssystemtechnik an der TU Darmstadt: Diesen kombinierten Weg wollen die meisten Hochschulen auch in Zukunft einschlagen und nutzen dafür die Flexibilität des neuen Bachelor- und Mastersystems. So können sich die Studierenden am KIT in Karlsruhe im Bachelor eine breite Basis schaffen und sich im Master aus unterschiedlichen Modulen ein individuelles Studium zusammenstellen.
Projektarbeit in internationalen, interdisziplinären Teams beherrscht immer mehr den Arbeitsalltag von Ingenieuren. Die Hochschulen haben sich darauf eingestellt und den Kanon an Lehrveranstaltungen rund um den Erwerb von Sprachen, Arbeitstechniken und Schnittstellenkompetenzen wie Patentrecht erweitert. Vor allem in Praxisprojekten sollen die Studierenden später wichtige Kompetenzen wie die Arbeit im Team üben. Die Hochschulen bieten ihren Studierenden im Vergleich zu früher viel mehr Möglichkeiten, die erworbene Theorie schon im Grundstudium in praktische Erfolgserlebnisse umzusetzen.
An der TU München zum Beispiel entwickeln und bauen 60 Studierende der Elektrotechnik das eCarus, ein Elektrofahrzeug auf Basis eines Buggys ? und üben dabei für die Zukunft. Dipl. Ing. Christiane Bertram, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin das eCarus betreut. „Sie müssen klare Absprachen treffen und einhalten und zum Beispiel auch finanzielle Unterstützer finden und dazu mit Unternehmen in Kontakt treten und diese überzeugen.“
Bessere Studienbedingungen als Mittel gegen hohe Abbruchquoten
„Die fachliche Ausbildung an den Hochschulen ist sehr gut“, sagt Dr. Daniela De Ridder von der CHE Consult, die regelmäßig Hochschulrankings durchführt. Aber die Zahl der Absolventen ist zum Weinen. Nach Angaben des VDE schmeißen an den Universitäten in den Bereichen Elektrotechnik und Informatik 40 - 53 Prozent vorzeitig das Handtuch. An den Fachhochschulen sind es 30 - 40 Prozent. Prof. Dr. Andy Schürr, an der TU Darmstadt Studiendekan für den Bereich Informationssystemtechnik: „Die Gründe für den Abbruch sind vielschichtig, zum Teil haben die Studierenden eine falsche Vorstellung vom Studium, oft fehlen aber auch die fachlichen Voraussetzungen für ein (technisches) Studium.“
Ein paar wenige Hochschulen begannen daher, die Auswahlverfahren zu verschärfen, mit Erfolg: „Seit unsere Bewerber eine Auswahlklausur bestehen müssen, in der unter anderem mathematisch-logische Fähigkeiten abgefragt werden, konnten wir die Absolventenquote um 15 Prozentpunkte von 46 auf 61 Prozent steigern“, berichtet Prof. Dr. Hans Jürgen Ohlbach vom Institut für Informatik an der LMU München.
Die meisten Hochschulen scheuen jedoch vor Auswahltests zurück, zu groß ist die Angst bei den bislang zu wenigen Interessenten die Falschen auszusieben. Sie setzen besonders auf die Verbesserung der Studienbedingungen. Prof. Dr. Thomas Zwick, Studiendekan der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik am KIT Karlruhe: „Im Gegensatz zu früher unterrichten wir anschaulicher, betreuen intensiver und individueller und motivieren so viel wir können.“
Praxisprojekte für Erstsemester sind mittlerweile Standard. Brückenkurse für Studienanfänger in den Angstfächern Mathematik und Physik auch. Verpflichtende Vorbereitungskurse wären hilfreich, aber dafür fehlen die rechtlichen Voraussetzungen und oft die finanziellen Mittel. Die RWTH Aachen denkt daher über ein Bonussystem nach, so Prof. Dr. Jens-Rainer Ohm. „Studierende, die Wissen aus einem Vorkurs in Mathematik nachweisen, sollen Boni auf ihre nachfolgenden Prüfungsleistungen erhalten.“ Die TU Darmstadt und das KIT Karlsruhe haben Mentoringprogramme eingeführt, in der Studierende höherer Semester sowie wissenschaftliche Mitarbeiter jüngere Studierende coachen.Die Hochschulen bieten zudem verstärkt didaktische Workshops für ihre Dozenten an wie zum Beispiel die TU Dresden, die TU Darmstadt und die TU Karlsruhe.
Ob sich die Verbesserung der Studienbedingungen positiv auf die Zahl der Absolventen auswirkt, bleibt abzuwarten. In den nächsten drei Jahren wird es durch das Aufeinandertreffen von G 8- und G 9-Absolventen sowie die Aussetzung der Wehrpflicht zumindest nicht an Studienbewerbern fehlen. Gewonnene Zeit, um darüber nachzudenken, wie man in Zukunft noch mehr Interessenten und vor allem Interessentinnen für das IT- und Elektrotechnikstudium begeistern könnte. /Rita Spatscheck