Rheinpfalz 2015
Berufliche Chancen auch mit 50 plus
Bewerbertraining, Einzelcoaching, Zusatzqualifizierung: Die Hilfsangebote auch für ältere Arbeitslose sind vielfältiger als man denkt und werden von den Agenturen für Arbeit gefördert.
36 Jahre lang hat Claudia Ullrich aus Gerolsheim als Bürokauffrau gearbeitet. Jetzt ist die Pfälzerin seit Juli 2014 arbeitslos. Betriebsbedingte Kündigung. „Obwohl ich nichts dafür kann, habe ich mich lange geschämt und als Außenseiterin gefühlt. Außerdem hatte ich panische Angst, keinen Job mehr zu bekommen, weil ich schon über 50 Jahre alt bin.“
Im Frühjahr 2015 waren laut de.statista.com 2,9 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Jeder Dritte davon ist älter als 50.
Claudia Ullrich ist eine sehr gepflegte, attraktive Frau, lebendig, wortgewandt, selbstreflektiert und strukturiert. Ich würde sie sofort einstellen. Dennoch: Bisher blieb die Sekretärin erfolglos, trotz vieler Bewerbungen und eines Bewerbertrainings.
Ist es für über 50jährige wirklich schwerer, Arbeit zu finden? Markus Holzmann, Stellvertretender Geschäftsleiter des Jobcenter Worms macht die Erfahrung, dass Arbeitgeber sehr wohl Vorbehalte haben, ältere Menschen einzustellen. „Sie befürchten, dass diese oft krank und nicht mehr leistungsfähig sind.“ Gleichzeitig seien ältere Arbeitnehmer, so Marion Orschiedt, Leiterin der geförderten Weiterbildung bei der GFN AG, manchmal zu wenig flexibel und mobil. „Es fällt ihnen schwer, berufliche Alternativen zu entwickeln, falls es mit dem bisherigen beruflichen Weg nicht mehr klappt.“
Im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit hilft die GFN arbeitslosen Menschen, eine neue Perspektive und den Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu finden. Vorstandsmitglied Markus Hertrich: „Was die Menschen dafür benötigen, ist individuell verschieden.“ Das könne ein Einzelcoaching sein, ein Bewerbertraining oder ein Gruppenworkshop, um berufliche Alternativen zu entwickeln. „Bei älteren Arbeitslosen führt oft eine fachliche Zusatzqualifikation zum Erfolg.“
Viele schaffen es
Die Erfolgsrate der GFN AG ist nicht schlecht. Markus Hertrich: „75% der Kurzzeitarbeitslosen, die sich bei uns qualifizieren und unterstützen lassen, arbeiten nach wenigen Monaten wieder.“ Angebote und Beratung sind für die Teilnehmer kostenlos; sie werden von der Bundesagentur für Arbeit finanziert.
Im Jobcenter Worms ist die Erfolgsquote nicht ganz so hoch, aber die Menschen, die dort im Rahmen der Initiative Perspektive 50 plus der Bundesregierung (sh. auch Beschäftigungspakt für Menschen über 50) betreut werden, haben es auch besonders schwer. Sie sind über 50, lange Zeit arbeitslos und bringen oft körperliche oder psychische Handicaps mit. Dennoch konnte das Jobcenter Worms in den letzten vier Jahren 730 Langzeitarbeitslose vermitteln. „Das ist für uns ein großer Erfolg“, so Markus Holzmann. „Ausschlaggebend dafür ist unter anderem unsere intensive Unterstützung.“ Zusammen mit den Betreuern suchen arbeitslose Menschen u.a. Stellen, formulieren Anschreiben, bereiten sich auf Vorstellungsgespräche vor.
Qualifikation gibt oft den Ausschlag
Claudia Ullrich hat es satt, arbeitslos zu sein und Absagen aus dem Briefkasten zu fischen. Und es ärgert sie, dass ihr die SAP Kenntnisse fehlen, die mittlerweile für viele kaufmännischen Positionen gefordert werden. Als sie durch die Zeitung erfährt, dass die GFN einschlägige Weiterbildungen anbietet, lässt sie sich dort kostenlos beraten, mit welchen Zusatzkenntnissen sie ihre beruflichen Chancen verbessern könnte. Mit einem Qualifizierungsplan für Grundlagen in SAP und einem Auffrischungskurs für Office in der Tasche, bittet sie ihre Arbeitsvermittlerin um die Übernahme der Kosten. Und hat Erfolg.
Viereinhalb Monate dauern Ullrichs Qualifizierungen in moderner Kommunikationstechnik und SAP. Sie finden in Mannheim statt. Die GFN unterhält aber u.a. auch ein Schulungszentrum in Speyer. Den Aktualisierungskurs für Office hat Claudia Ullrich bereits erfolgreich beendet. Im Augenblick lernt sie zusammen mit 20 anderen Teilnehmern, in Präsenzunterricht, SAP in Finanzbuchhaltung, Controlling und Personalwirtschaft anzuwenden. SAP-Trainerin Anke Dörrenberg führt die Teilnehmer Schritt für Schritt durch die komplexen Arbeitsabläufe.
Claudia Ullrich fühlt sich wohl: „Die Stimmung ist locker und wir lachen viel.“ Die Weiterbildung sei sehr praxisbezogen und nützlich, aber auch schwierig und anstrengend. Durchhalten lohnt sich, so Anke Dörrenberg und zählt auf, welche Pluspunkte sich die Kursteilnehmer bei Arbeitgebern verdienen: „Sie können sich rasch in gängige SAP-Systeme einarbeiten und haben am Schluss mehrere Modulzertifikate und ein Abschlusszertifikat von SAP in der Tasche.“ Angst vor einem Scheitern muss auch niemand haben. Dörrenberg: „99% bestehen die Prüfungen, die Voraussetzungen für den Erhalt der Zertifikate sind.“
Und wie geht es für Claudia Ullrich nach bestandener Qualifizierung weiter? „Ich bin zuversichtlich, dass ich mit meinen aktuellen Office- und neuen SAP-Kenntnissen mein Alter ausgleichen kann. Auf jeden Fall habe ich hier wieder ein gutes Gefühl entwickelt, was ich kann und will.“ Durch die Weiterbildung hat in sie zudem neue berufliche Bereiche wie die Personalwirtschaft für sich entdeckt. „Es gehen gerade neue Türen für mich auf.“