Diskriminierung in Berufungsverfahren lebt
Auf dem Papier haben Bewerberinnen um einen Ruf zur Professorin die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen. Im Alltag stoßen viele Wissenschaftlerinnen jedoch nach wie vor an die berüchtigte gläserne Decke.
Im Augenblick sind in Deutschland gerade mal 20,9% aller W 2-Professoren Frauen, bei den W 3-Professuren sind es sogar nur 15,5%. Ein Grund: Diskriminierung: Das ergab der aktuelle und sehr fundierte Gender-Report 2013. So fühlten sich 38,4 Prozent der befragen Professorinnen im Berufungsverfahren diskriminiert, besonders wegen ihres Geschlechts und ihrer (potenziellen) Mutterschaft.
Vor allem Berufungskommissionen bremsen Bewerberinnen noch zu oft aus. Meike Hilgemann, Mitautorin des Gender Reports. „Je mehr Männer in der Kommission sitzen, umso weniger Frauen erhalten einen Ruf.“ Die Bochumer Professorin Dr. Katrin Marcus war schon oft Mitglied in Berufungskommissionen und kennt das Problem. „Die Diskriminierung verläuft jedoch meist nicht gezielt sondern unbewusst. Viele präferieren Bewerber, die ihnen ähnlich sind und bei der noch herrschenden Männerdominanz profitieren davon vor allem Männer.“ Auch das Bild des idealen Professors ist männlich geprägt und in diesem Setting kommen keine familiären Verpflichtungen wie Kinder vor. Und die wichtigsten Auswahlkriterien, Anzahl von Publikationen und die Höhe eingeworbener Drittmittel, werden am Lebensalter gemessen, zum Nachteil von Müttern. Meike Hilgemann: „Familienzeiten sowie Lehr- und Verwaltungsaufgaben, die Wissenschaftlerinnen oft übernehmen, müssen stärker berücksichtigt werden.“
Informelle Absprachen benachteiligen meist Frauen
Die zweite große DiskriminierunIgshürde sind laut des Genderreports informelle Absprachen, in denen sich Hochschulmitglieder im Vorfeld auf einen, meist männlichen, Kandidaten einigen und diesen u.a. durch gezielten Einfluss auf die Auswahl der Kommissionsmitglieder durchsetzen. „Ich hatte in der Hälfte meiner Berufungsverfahren das berechtigte Gefühl, nur eine Alibifrau zu sein, die man nicht ernst nimmt“, berichtet Prof. Dr. Katrin Marcus.
„Informelle Festlegungen sind schwer zu durchschauen“, sagt Masha Gerding, Berufungsmanagerin an der Ruhr-Universität Bochum. Aber es gebe bestimmte Warnsignale: Auswahlkriterien, die nicht eindeutig festgelegt sind, Einschüchterungsversuche im Bewerbungsgespräch, lasche Bemühungen, Bewerberinnen zu rekrutieren. „Die Hochschulleitung kann dann auch schon mal ein Verfahren stoppen und es neu ausschreiben.“
Standards helfen
Das beste Mittel gegen Diskriminierungsversuche sind für Masha Gerding professionellere und vor allem standardisierte Berufungsverfahren. Die Ruhr-Universität Bochum hat u.a. hochschulweite geschlechtergerechte Berufungsstandards festgelegt, die auch dazu dienen sollen, den Anteil der Wissenschaftlerinnen je nach Fakultät um bestimmte Quoten zu erhöhen. „Wir einigen uns zudem im Vorfeld mit der Fakultät auf vergleichbare, unveränderliche Auswahlkriterien und unterstützen die Arbeit der Kommission mit Leitfäden, in denen wir auch auf diskriminierende Fallstricke hinweisen. Prof. Dr. Marcus begrüßt diese Anstrengungen, bleibt aber dennoch skeptisch: „Informelle Absprachen kann man nicht verhindern und unbewusste Diskriminierungen abzustreifen, ist ein langer Prozess. „Um auch mal Wunschkandidat zu sein, müssen Frauen sich auch in männlichen Netzwerken etablieren und durch MentorInnen, wie hier in Bochum, gefördert werden.“
Wie frau Diskriminierungsversuche in Berufungsverfahren unterläuft, lernt sie auch in den Workshops bei Dr. Margarete Hubrath. „Am wichtigsten ist es, diskriminierende Haltungen nicht persönlich zu nehmen und die eigenen Leistungen selbstbewusst zu präsentieren. Geben Sie Ihr Bestes, auch wenn Sie den Eindruck haben, Alibifrau zu sein. Dann werden Sie vielleicht zumindest weiterempfohlen.“
Ziel noch weit entfernt
Wissenschaftlerinnen haben sich auf den Weg gemacht und werden, so der Gender Report, von immer mehr Hochschulen wie in Bochum, Aachen, Essen oder Köln durch Berufungsstandards und Mentoringprogramme unterstützt. „Aber das reicht nicht aus“, sagt Meike Hilgeman: „Wir benötigen noch viel strengere hochschulinterne Frauenquoten und mehr Druck von außen wie die Gleichstellungstandards der DFG. Wenn wir nicht auf das Gleichstellungs-Tempo drücken, herrscht zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen erst 2054 Geschlechtergerechtigkeit.“
© Rita Spatscheck