Ingenieurkarriere 2012
Karriere? Nur mit meinem Partner!
Von Dual Career Services profitieren Unternehmen und Arbeitnehmer. Von diesem hervorragenden Instrument für Recruiting und Mitarbeiterbindung machen jedoch viele Arbeitgeber hierzulande kaum Gebrauch. Hochschulen mache vor, wie es funktionieren kann.
Diplom Ingenieur Andreas Halbleib steckte in einer Zwickmühle. Seiner Frau wurde eine attraktive Habilitationsstelle an der Universität Konstanz angeboten. Eine Wochenendbeziehung kam für die beiden nicht infrage, der Elektroingenieur wollte jedoch auch seine eigene Karriere vorantreiben. „Aber als Biomedizintechniker mit dem Spezialgebiet Signalverarbeitung von Gehirnströmen eine Arbeitsstelle zu finden, ist in der Region Konstanz fast aussichtslos.“
Zugunsten der Familie oder des Partners auf die eigene Karriere zu verzichten oder zu pendeln: Vor diesem Dilemma stehen immer mehr Paare in Deutschland, vor allem unter Akademikern. 70 Prozent von ihnen sind Doppelverdiener. Das waren 2009 rund 1,1 Million Paare. Immer mehr von ihnen erwarten, dass Arbeitgeber sie dabei unterstützen, zwei Karrieren und oft auch Kinder unter einen Hut zu bringen. Dies ist ein Ergebnis der aktuellen Studie Praxishandbuch Dual Career, das die FamilienForschung des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg im April dieses Jahres herausbrachte.
Hochschulen gewinnen mit Dual Career Services bereits die besten Köpfe
Im Wettbewerb um herausragende WissenschaftlerInnen haben viele Hochschulen die Erwartungen von Dual Career Paaren bereits aufgegriffen und in den letzten Jahren einen Dual Career Service installiert, der es neuen Mitarbeitern und ihren Familien ermöglicht, rasch vor Ort Fuß zu fassen. An der Universität Konstanz zum Beispiel wurde Ende 2007 ein Dual Career Programm eingerichtet, das PartnerInnen von neuen WissenschaftlerInnen und Führungskräften in der Verwaltung bei der Stellensuche vor Ort unterstützt. Zudem hilft die Universität Konstanz, eine Wohnung zu finden, Schulen und Kindergartenplätze zu organisieren. „Pro Jahr haben wir 30 Anfragen von Dual Career Paaren“, berichtet Kerstin Melzer, die das Dual Career Programm koordiniert. „Und die Nachfrage wächst. In fast allen Berufungsverfahren spielt das Thema Dual Career mittlerweile eine Rolle“, zum Nutzen von Bewerbern und der Universität, die damit ihren Standortnachteil am Rand Deutschlands ausgleichen kann. Kerstin Melzer: „90 bis 95 Prozent der BewerberInnen, deren Partnerinnen und Partner von mir betreut wurden, unterschrieben einen Arbeitsvertrag.“ So wie Andreas Halbleibs Frau. Sie habilitiert nun an der Uni Konstanz und er fand dank des Dual Career Service eine neue Stelle. „Kerstin Melzer unterstützte mich bei der Suche nach beruflichen Alternativen und empfahl mich möglichen Arbeitgebern wie der Tuttlinger KARL STORZ GmbH & Co. KG.“ Dort arbeitet Andreas Halbleib nun seit Juli als Produktmanager für Endoskopiegeräte.
Unternehmen hinken hinterher
Trotz Fachkräftemangels ist für die meisten deutschen Unternehmen die Unterstützung von Dual Career Paaren noch kein Thema. Die Autoren der Studie Praxishandbuch Dual Career, Barbara Becker und Erich Stutzer, fanden gerade mal 35 Unternehmen in Deutschland, die öffentlich mit einem Dual Career Service werben. Die anderen sind schlicht noch nicht auf die Idee gekommen, haben Angst, zu hohe Erwartungen zu wecken oder scheuen den mit Dual Career Service verbundenen Aufwand. Die befragten Unternehmen, die Dual Career Paare unterstützen, sind jedoch überzeugt, dass der Nutzen die Kosten übersteigt: Sie konnten ihre Arbeitgeberattraktivität steigern, so ihrem Fachkräftemangel entgegenwirken und sich als familien- und frauenfreundliche Unternehmen etablieren. Dennoch unterstützen auch diese Unternehmen Dual Career Paare bisher oft nur in Einzelfällen und unsystematisch. „Für eine feste Stelle war der Bedarf bisher noch zu gering und die Einschaltung von Personalberatern sehr teuer“, sagt auch Stefan Ahlhaus, Personalleiter beim mittelständischen Hersteller von Endoskopiegeräten KARL STORZ GmbH & Co. KG.
Seit in Deutschland jedoch immer mehr Dual Career Netzwerke entstehen, kommt Schwung in die Sache. Die KARL STORZ GmbH & Co. KG ist seit letztem Jahr Mitglied im Bodensee Netzwerk 2careers. Mit dem Netzwerk im Rücken will das Tuttlinger Unternehmen seinen Dual Career Service nun ausbauen, um dringend benötigte Fachkräfte an die Donau zu locken und Auslandsentsendungen zu vereinfachen, denn diese würden wegen familiärer Verpflichtungen immer schwieriger. Stefan Ahlhaus: „Ohne dieses Netzwerk könnten wir uns keine vernünftige und bezahlbare Unterstützung von Dual Career Paaren leisten.“
Netzwerke sind nützlich, reichen aber nicht aus
Um das Thema Dual Career in der Region Konstanz stärker zu verankern, wurde 2careers letztes Jahr von Kerstin Melzer und der Personalberaterin Cornelia Dettmer gegründet. Auf der Plattform von 2careers können sich BewerberInnen einen guten Überblick über Stellenangebote, Kindergärten, Schulen, Wohnungen und Betreuungsplätze für pflegedürftige Familienmitglieder verschaffen. Kernstück ist jedoch das persönliche Netzwerk, für das die beiden Koordinatorinnen immer mehr Arbeitgeber aus unterschiedlichsten Bereichen gewinnen. Dort lotet man gemeinsame Projekte aus und fragt gezielt nach Arbeitsstellen für PartnerInnen von (potenziellen) MitarbeiterInnen. Stefan Ahlhaus: „Durch das Netzwerk ist die Suche viel einfacher: Weil wir uns kennen und vertrauen, behandeln wir alle Empfehlungen ernsthaft. Und man wird auf interessante Kandidaten wie Andreas Halbleib aufmerksam gemacht.“
So nützlich Netzwerke sind, für Kerstin Melzer stellen sie noch keinen wirklichen Dual Career Service dar. Berufstätige Partner von BewerberInnen haben, so ihre Erfahrung, die unterschiedlichsten Fragen und Bedürfnisse, manche wollen sich nur einen Überblick über den Arbeitsmarkt verschaffen, andere vielleicht die Neuorientierung nutzen, sich selbstständig zu machen. „Ein guter Dual Career Service zeichnet sich durch eine feste Anlaufstelle aus, die Paare individuell begleitet“. Da zudem nicht alle Bewerber sich trauen, eine Dual Career Unterstützung aktiv einzufordern, ist für Kerstin Melzer zudem unabdingbar, dass Arbeitgeber auf ihren Dual Career Service aufmerksam machen und das Angebot aktiv bewerben. „Erst dann kann“, so Kerstin Melzer, „Dual Career Service zu einem wirklich erfolgreichen Rekrutierungsinstrument werden.“
© Rita Spatscheck
Definition Dual Career Service
Unter einem Dual Career Service versteht man eine feste Anlaufstelle, die Dual Career PartnerInnen individuell unterstützt,